Aus Liebe zum Stein

Interview mit Stephan Maria Lang

Der Architekt Stephan Maria Lang besitzt die außergewöhnliche Gabe, sich auf die Besonderheit eines jeweiligen Ortes einzulassen und sie mit der Persönlichkeit seiner Bauherren zu verbinden. Qualität und Schönheit in den Arbeiten von Stephan Maria Lang (*1959) liegen in den versteckten Details, überraschenden Durchblicken, im Spiel von Licht und Schatten und in der Integration von Landschaft, Garten und Inneneinrichtung zu einem Gesamtkunstwerk. Wesentlich für das Lebensgefühl sind seine Inspirationen aus dem japanischen Denken – die Wertschätzung einer Patina und die Schönheit des Unvollkommenen. Das Interview führt Annabell Rudolph-Otto.

Herr Lang, wo liegt für Sie die Besonderheit im Baustoff Naturstein? Warum greifen

Sie immer wieder auf Naturstein zurück?

Bei Naturstein gibt es viele Aspekte, die mir wichtig sind. Architektur entsteht aus einer Haltung oder einer Vorstellung heraus. Meine Vorstellung ist erst einmal geprägt durch die Vorbilder, die ich habe – in erster Linie die kalifornische Moderne angefangen mit Frank Lloyd Wright über Schindler Neutra bis zu Lautner. Wright arbeitete viel mit Stein und fast ausschließlich mit denselben Steinmetzen zusammen. Die wussten irgendwann genau, wie er seinen Stein haben wollte. Nicht als „Design-Tapete“, sondern so, dass der Stein seine urwüchsige Kraft ausdrücken kann. Neudeutsch heißt das authentisch. Also dass der Stein als authentisches Material eingesetzt wird, aus der Erde wächst, uns als Menschen erdet.

 

Was genau verstehen Sie unter authentischem Materialeinsatz?

Authentisch meint hier, dass man auch das Fügen und das Machen sieht. Nur dann hat der Stein auch die Ausstrahlung, die seiner würdig ist! Nimmt man z.B. eine drei Zentimeter dünne Steintapete, sieht man spätestens am Stoß, auch wenn man die Ecksteine nimmt, dass es nicht authentisch ist. Man spürt es regelrecht.

 

Viele schreckt sicherlich der Preis von Naturstein ab.

Stein ist in der Masse natürlich ein teureres Material, aber auch ein sehr wertiges, das ewig hält. Und was mir das Wichtigste ist: Stein wird mit den Jahren immer schöner.

 

Kommen wir noch einmal zur Ihrer architektonischen Haltung. Können Sie das näher spezifizieren?

Für mich ist wichtig, eine Einheit zu schaffen zwischen Haus, Garten oder Landschaft. Das Haus steht nicht nur wie ein Stein auf einem Tablett, wie es die Bauhausmoderne präferiert, sondert wird gesockelt wie eine Skulptur. Meine architektonische Haltung ist erdverbunden. Meine Architektur erwächst aus dem Grundstück, sie soll nicht nur damit verschmelzen, sondern originär daraus hervorgehen. Es ist diese Verbindung von Mauern und Garten, die auch Frank Lloyd Wright ganz wichtig war.

Es kommt auf die Art und Weise des Einsatzes des Steins an, wie Sie sagen.

Die Sorgfalt, mit der man noch in den 50er und 60er Jahren Beläge figurativ mit freiem Fugenspiel legen ließ, ist wunderbar. Man war im Grunde viel experimenteller und kreativer als heute. Damals war das Avantgarde, heute würde man wahrscheinlich „alternativ“ dazu sagen. Aber so macht es Spaß mit dem Stein zu arbeiten. Man kann z.B. Trittplatten ganz gewöhnlich in Reihe oder aber ungleichmäßig und dadurch interessant legen. Letzteres erzeugt Spannung. In höchster Perfektion findet man das in den Gärten von Kyoto. Dort gibt es drei Felsen, die in perfekter Spannung zueinander liegen. Sie strömen Ruhe und Balance aus und vermitteln eine Art kosmischer Ordnung.

Der Einsatz des Steins und der übrigen Materialien muss aber natürlich exzellent ausbalanciert sein. Wie eine Komposition. „Ein schmaler Grad zwischen Einfachheit und Banalität“ wie der Bildhauer Alf Lechner, der mit Stahl arbeitete, zu sagen pflegte. Vieles im Stein wird leider ganz schnell banal.

Der Stein ist natürlich auch ein Stück weit ein gefährliches Material: Er ist ein Symbol der Macht und der Repräsentation und kann schnell „protzig kühl“ wirken. Stein muss vor allen Dingen einen Moment der Zeitlosigkeit bekommen. Stein sollte auch nicht die ganze Zeit mit dem Dampfstrahler malträtiert werden, um ihm damit das Altern auszutreiben. Natürliches Altern ist etwas Wunderbares. Das ist ein bisschen wie in unserer Gesellschaft mit dem Gesichtslifting – am Schluss laufen nur noch Zombies ohne Ausstrahlung herum. Egal wie gut es gemacht wurde, es ist immer künstlich und Künstliches altert einfach schlecht und unschön. Das Pure und das Natürliche ist schön.

 

Was unterscheidet Ihrer Meinung Naturstein von anderen Materialien?

Das Schöne am Naturstein ist, dass man formal ganz anders arbeiten kann. Dieses Reliefartige, das durch die Massivität und Haltbarkeit des Steines erzielt wird, damit kann man viel erschaffen ohne störende Verblechungen. Man muss allerdings ein wenig Gedankenschweiß fließen lassen. Ich habe mal einen kleinen Brunnen entworfen, in dem mehr Arbeit steckte, als in der Eingabeplanung eines ganzen Häuschens. Es geht darum, sich Zeit zu nehmen. Im handwerklich Gefertigten steckt viel Mühe drin, das will man spüren. Wenn man es nicht spürt, ist es leblos.

 

Worin besteht die große Kunst bzw. die Herausforderung eines Architekten?

Ein guter Architekt versucht, sich in seine Bauherren einzufühlen und mit ihnen zusammen eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich wohlfühlen, die wahren Wünsche zu erkennen, zu realisieren und dann dem Ganzen noch Seele einzuhauchen.

 

Daneben hat der Architekt aber auch seine eigene Haltung, seinen Stil, der dann gut ist, wenn er zeitlos ist; also keinen Trends folgt, sondern in vielen Jahren immer noch aufregend schön und nicht nur „gewöhnlich“ ist. Die große Herausforderung besteht darin, sich in den Auftraggeber einzufühlen und sich als Architekt selbst zurückzunehmen und dennoch seinem eigenen künstlerischen Stil treu zu bleiben.

 

Hat sich eigentlich Ihr Gefühl oder Ihr Verhältnis zur Natur durch Ihre Arbeit verändert?

Ich habe erst mit 40 durch meine Arbeit angefangen, mich für Gärten zu interessieren, zuvor war ich nicht wirklich naturbezogen. Jetzt bin ich durch meine Tätigkeit als Gartenplaner viel in der Natur, ich gärtnere selbst und verbringe auch meine Freizeit gerne in der Natur. Die Natur hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Das geht mittlerweile so weit, dass ich bei meinem letzten Projekt mit dem Garten angefangen und das Haus dann dazu entworfen habe. Das kann man nicht trennen meiner Meinung nach. Ich glaube, je älter man wird, desto wichtiger wird die Natur. Man „lernt zu sehen“. Und je mehr ich von der Natur lerne, desto mehr begreife ich die Natur als eigene, ja, als die höchste Kunstform. Dabei möchte ich die Natur aber nicht nachmachen und sie abbilden wie bei einem künstlichen Steingarten oder Wasserfall. Die Natur zu imitieren ist zum Scheitern verurteilt – das wird nie schön, weil man die Natur genauso wenig nachmachen kann wie man die Kunst eines Mozart oder Monet nachmachen kann. Ich versuche, die Natur daher abstrahiert in meine Arbeit zu übersetzen. In dieser Weise abstrahiert ist auch die Kunst, die die Japaner schaffen, die mir so gut gefällt. Abstrahiert ist auch die Kunst, die die guten Architekten immer geschaffen haben. Um die Natur zu abstrahieren, muss man sie nicht wie ein Biologe verstehen, sondern man muss sie spüren – genau wie man die Musik von Mozart spüren muss und sie niemals imitieren kann.

 

Gerade weil man die Natur niemals imitieren kann, liebe ich das Material Naturstein.

Der Mensch ist am glücklichsten, wenn er sich in einer gesunden, natürlichen Umgebung befindet und natürliche Materialien wirken sich beruhigend auf uns aus. Naturstein ist im Gegensatz zu Feinstein ein haptisches Material, dem die besondere Magie innewohnt, dass sich ein- und derselbe Stein durch seine vielen verschiedenen Oberflächen, die er haben kann, immer wieder neu erfinden und neu einsetzen lässt.

Wie schlägt sich Ihre Liebe zur Natur in Ihrer Arbeit nieder, inwiefern ist Ihre Arbeit naturbezogen?

Naturbezug heißt bei mir nicht „zwei große Fenster nach draußen“, sondern „wahrer“ Naturbezug. Das meine ich so: Die Natur ist etwas, was sich permanent verändert. Das muss das Haus aufnehmen und widerspiegeln.

Durch die verschiedenen Jahres- und Tageszeiten verändert sich ein Raum je nach Lichteinfall und Blick nach draußen. Die Natur ist mit ihren verschiedenen Stimmungen ein unbezahlbares, ständig wechselndes und sich erneuerndes Erlebnis. Es versetzt den Betrachter in eine andere Stimmung, wenn er aus seinem Fenster in einen ungezähmt wuchernden grünen Garten blickt oder in eine froststarre weiße Winterlandschaft. Ein Baum zum Beispiel ist zu jeder Jahreszeit ein tolles, wertvolles Element – eigentlich eher ein Erlebnis. Und für dieses Erlebnis muss man als Architekt nicht nur den Raum erschaffen, sondern für dieses Erlebnis muss man als Gestalter mit seinen Entwürfen auch sehr leise sein. Wenn man zu laut ist, wird das alles übertönt. Das verstehe ich unter wahrem Naturbezug in meiner Arbeit.

 

Ist es für Sie in diesem Zusammenhang dann eher spannend städtisch zu arbeiten, um dort sozusagen der Natur Raum zu verschaffen oder realisieren Sie lieber Projekte auf dem Land?

Beides betrachte ich als interessante Herausforderung! Vom künstlerischen Standpunkt aus ist es natürlich sehr reizvoll, ein landschaftliches Setting zu haben, in das man ein Haus wie ein bewohnbares Gesamtkunstwerk platzieren kann.

 

Herr Lang, ich danke Ihnen

Fotos: Stephan Maria Lang Architekten­gesellschaft, Daniel Mosch, Manfred Schütz

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